Schutz für Tibets verlorene Kinder

Pate Hannes Jaenicke

Schutz für Tibets verlorene Kinder

Jedes Jahr verlassen bis zu 3.000 Tibeter ihre Heimat und machen sich auf den gefährlichen Weg über den Himalaya nach Nepal und Indien. Ein Drittel davon sind Kinder ab fünf Jahren und Jugendliche. Sie alle wollen eine Chance für ihre Zukunft, die sie im chinesisch besetzten Tibet nicht haben: Die Kinder und Jugendlichen verlassen ihre Familien, um in den Schulen und Kinderdörfern des Dalai Lama in Indien eine qualifizierte Schulausbildung zu bekommen. Der Großteil der tibetischen Kinder spricht nur wenig oder gar kein chinesisch, dies ist jedoch Voraussetzung für den Besuch der weiterführenden Schulen, in denen Chinesisch Unterrichtsprache ist. Außerdem können sich tibetische Familien die hohen Schulgebühren nicht leisten. Die Eltern wollen außerdem, dass ihre Kinder in der tibetischen Kultur aufwachsen können und nicht unterdrückt werden.

Nach chinesischem Recht ist eine Ausreise für Tibeter illegal und wird mit Gefängnis bestraft. Die Kinder begeben sich schon deshalb auf eine gefährliche Reise, die - begleitet von tibetischen Bergführern - zwei bis sechs Wochen dauern kann. Dabei finden 80 Prozent der Fluchtversuche von Tibet nach Nepal zwischen Oktober und April statt, wenn die Berge des Himalayas tief verschneit, die Gletscher gefroren sind und die chinesische Grenzpolizei nicht mehr so oft patrouillieren kann.

Auf ihrer gefährlichen Reise wandern die Flüchtlingskinder zu Fuß durch meterhohen Schnee, überqueren gefährliche Gletscherspalten in Höhen über 5.500 Metern. Um ihre Fluchtabsicht zu verschleiern, sind sie meist unzureichend ausgerüstet und bekleidet und tragen nur wenig Nahrung bei sich. Die Folgen sind Hunger, Unterkühlungen, Frostbeulen, Brüche und Verletzungen durch Ausrutschen auf dem eisigen Boden. Verletzte Flüchtlinge muss der Bergführer auf seinem Weg oft hilflos zurücklassen, wo sie erfrieren, verhungern oder von der chinesischen Polizei verhaftet werden.

Gelingt es den Flüchtlingskindern sich bis zur Grenze durchzukämpfen, müssen sie sich zu Fuß noch weiter bis Kathmandu durchschlagen, hierfür benötigen sie in der Regel zwei Wochen. Anlaufstelle für die Flüchtlinge ist dort das tibetische Flüchtlingslager. In der Klinik des Flüchtlingscenters werden die Flüchtlinge zunächst medizinisch behandelt. Als häufigste Symptome der Flüchtlingskinder werden dabei heftige Erfrierungen, vor allem der Zehen, Bluthusten, Geschwüre, Frostbeulen, Schneeblindheit, Polio und Knochenbrüche diagnostiziert. Da die Zahl der Flüchtlinge in den letzten Jahren wieder stark angestiegen ist, ist das Flüchtlingslager schon seit längerer Zeit dem Ansturm nicht mehr gewachsen, so dass auch die Kinder und Jugendlichen auf Fluren und im Freien übernachten müssen.

Nach oft wochen- und monatelangem Warten ohne jede Beschäftigung im Flüchtlingslager erhalten die Kinder ihre Papiere für die Ausreise nach Indien. Dort kommen sie zunächst in das von der Regierung Tibets im Exil eingerichtet Flüchtlingszentrum von Dharamsala, dem Exilort des Dalai Lama. Höhepunkt für die Flüchtlinge ist eine Audienz beim Dalai Lama, die er regelmäßig für die Flüchtlinge abhält, sich ihre Erlebnisse erzählen lässt und sie tröstet. Anschließend werden die Flüchtlinge – je nach Alter – auf die einzelnen Einrichtungen der Regierung Tibets im Exil verteilt, die Kinder und Jugendlichen werden in eines der Kinderdörfer des Dalai Lama geschickt, wo sie in einer Kombination aus Internat und Schule eine Ausbildung erhalten.

Die geflüchteten Kinder und Jugendlichen müssen schlimme Erlebnisse verarbeiten. Sie leiden massiv unter der Trennung von ihren Familien und auch unter den Erlebnissen in Tibet und auf der Flucht, die durch Gewalt, Angst, Erschöpfung, Verfolgung, Hunger und Kälte, aber auch den Tod oder das plötzliche Verschwinden von Familienangehörigen und Mitflüchtlingen geprägt sind. Hinzu kommt der Kulturschock "Indien" für die Flüchtlingskinder. Sie sind einer ihnen unbekannten Kultur hilflos ausgesetzt und fühlen sich zwischen einer belastenden Vergangenheit und einer unsicheren Zukunft völlig orientierungslos. Die Folgen sind erhebliche Gesundheitsstörungen, posttraumatische Beschwerden, Angstzustände, Schlafstörungen und Abkapselung von ihrer Umgebung.

Das Kinderdorf ist überfüllt

Da der Zustrom an tibetischen Flüchtlingskindern nicht abreißt, herrscht in allen Kinderdörfern drangvolle Enge. Besonders prekär ist die Lage im Kinderdorf in Suja: hier leben ausschließlich Flüchtlingskinder, deren Zahl inzwischen auf über 2.000 angewachsen ist. Das Kinderdorf ist hoffnungslos überfüllt. Im Schnitt leben 44 Kinder unter 14 Jahren mit einer Hausmutter in einem Haus zusammen, das nur für 25 Personen angelegt ist. Die Etagenbetten stehen so eng, dass zwischen ihnen kein Durchgang möglich ist. Aufbewahrungsmöglichkeiten für persönliche Gegenstände gibt es nicht. Mit 14 Jahren wechseln die Kinder aus den Häusern in die Schlafsäle, die sie mit 20 Kindern teilen.

Rückzugsmöglichkeiten und Privatsphäre gibt es für die Kinder und Jugendlichen nicht, eine individuelle Betreuung ist ebenfalls nicht möglich. Freizeitmöglichkeiten und Spielzeug für die Kinder und Jugendlichen sind so gut wie nicht vorhanden. Auf dem Gelände gibt es für 2.000 Kinder nur einen Sportplatz sowie einen Basketballplatz.

Mit den Spenden soll das Kinderdorf in Suja um mindestens zehn Häuser erweitert werden, in denen auch Räume für die so wichtige psychologische Betreuung und Rückzugsmöglichkeiten angeboten werden. Zusätzlich sollen mindestens zwei Spielplätze für die kleineren Kinder und Sportplätze für die Größeren eingerichtet, sowie Spielzeug und Sportgeräte angeschafft werden.

Der Träger des Hilfsprojekts:

International Campaign for Tibet Deutschland

Indien/ Suja: Hannes Jaenicke, Zehn Hütten für tibetische Flüchtlingskinder